Die Weihnachtsfeier in der PR-Agentur, Teil 3: Der Agentursong

Dies ist der dritte Teil der PR-Weihnachtsgeschichte. Den Anfang findest du hier.

(….) Praktikantin Kira hatte gehofft, dass das Tonstudio wenigstens von Innen etwas her machen würde. Leider wird sie enttäuscht. Die Einrichtung ist angeranzt. Es hängen ein paar Poster von Bands mit Autogrammen an der Wand. Das war es dann aber auch schon mit dem Glamour.

Kira würde trotzdem lieber hier in diesem Studio ein Praktikum machen, als in der PR-Agentur. Nutzloser könnte es auch nicht sein.  Außerdem fällt Kira auf, dass Chef Karl-Uwe sie seit der Busfahrt komisch anschaut und sein Blick mit jedem geleerten Glas komischer wird.

Für einen Moment kommt so etwas wie gute Stimmung auf

Immerhin, es gibt erstmal ein doch ganz ordentliches Buffet! Mit Lachsröllchen, Fleischsalat und kaltem Bier aus grünen Flasche.  Für einen Moment kommt so etwas wie gute Stimmung auf, man lacht, plaudert, stößt an. Geht doch, denkt Juniorin Annika.

Dann meldet sich wieder die Geschäftsleitung zu Wort. Diesmal ist Clothilde dran, während Karl-Uwe noch zufrieden vor seinem vollgeschaufelten Pappteller sitzt.

Clothildes Stimme überschlägt sich fast vor Begeisterung, als sie ruft: „Bevor wir ins Studio können, müsst Ihr Euch noch einen Text für unseren Agentursong ausdenken. Karl-Uwe und ich haben schon ein paar inspirierende Worte für Euch auf dieses Whiteboard geschrieben.“ Und damit deutet sie auf ein Whiteboard, das bislang unbeachtet an der Wand hing. Unter anderem stehen da:

„Zusammenhalt“.  „Für unsere Kunden da“. „Immer vorne weg“. „Herzblut“. „Trallala“.

Bei Annika meldet sich wieder der Würgereiz, den sie im Bus verspürt hatte. Und  Praktikantin Kira überlegt, ob sie vielleicht einfach gehen soll und nie wieder kommt.

Aber sie sind ja Profis und so haben sie binnen 20 Minuten einen dreistrophigen Text geschrieben. „Herzblut“ reimt sich auf „richtig gut“. „Zusammenhalt“ auf „heiß und kalt“. „Für unsere Kunden da“ auf „Trallala“.

Chefin Clothilde rümpft die Nase – und keiner merkt’s

Und „Immer vorne weg“ reimt sich auf „Hat alles keinen Zweck“. Clothilde hat zwar die Nase gerümpft, als die Praktikantin Kira diese Zeile lauthals vorschlug, aber das hat keiner gemerkt, weil alle anderen laut darüber lachen mussten.

Nun gehen sie also ins Studio, und singen mit schrägen Stimmen ein völlig sinnbefreites Lied. Zum Glück reichen drei Takes, dann „ist das Ding im Kasten“ wie der Studiochef mit herabhängenden Mundwinkeln sagt. Der hat auch keine Lust mehr und ist froh, als die diese Bande wieder in den Bus steigt.

Es geht noch in eine ganz schicke Bar im Stadtzentrum. Karl-Uwe will jetzt richtig aufdrehen. Er rückt dicht an Kira ran, will eine Runde Tequila bestellen „weil wir jetzt mal zu den richtigen Drinks kommen müssen“ und erzählt mit leuchtenden Augen etwas von „Body Shots“.

Clothilde geht dazwischen – sowas passt ihr gar nicht. Die jungen Hühner sollen Überstunden machen und nicht ihren Co-Chef zu dazu bringen, sich zum Affen zu machen. Es war schon immer Karl-Uwes größte Stärke oder auch Schwäche, dass ihm nichts, aber auch gar nichts peinlich ist. Im Dialog mit Kunden ist das meist nützlich.  Karl-Uwe schreckt nicht davor zurück, die unsinnigsten Sachen zu versprechen. Aber auf eine Weihnachtsfeier kann Clothilde diese Peinlichkeiten nicht dulden.

Die Agentur zahlt die Getränke – bis Mitternacht

Zu Karl-Uwes Enttäuschung gehen ums Mitternacht auf einmal alle sehr schnell nach Hause. Mitternacht war übrigens auch der Zeitpunkt, bis zu dem die Agentur die Getränke zahlen wollte. Ab jetzt geht es auf den eigenen Deckel. Und weg sind sie. Frechheit. Langweiler.

Einzig Juniorin Annika und Senior-Berater Matze gehen noch in eine Bar. Sie trinken Rotwein, und Annika fängt an zu heulen, weil sie alles so furchtbar findet. Drei Monate später wird sie kündigen ohne einen neuen Job zu haben, aber an diesem Abend hat sie die Schnauze einfach nur voll und den Kopf leer.

Der Song den sie an diesem Abend aufgenommen haben wird – mit Fotos von dem Abend unterlegt – auf die Agentur-Webseite gestellt. Ein paar Monate später verschwindet er wieder von dort. Heute, ein paar Jahre später, ist er in der Agentur nicht mehr auffindbar und wird auch nicht mehr erwähnt.

Im nächsten Jahr findet die Weihnachtsfeier dann übrigens ganz unkompliziert in einer Pizzeria statt. Die Belegschaft der Agentur war schon wieder zu Hälfte ausgetauscht, die Erinnerungen an die Schmach des Vorjahres war verblasst. War dann auch ein ganz netter Abend mit einem entspannten Karl-Uwe.

Mehr Geschichten aus der PR-Welt gibt es hier in meinem E-Book für 3,99 Euro.

 

Hinterlasse einen Kommentar